Auf den Papyri wurden in der Antike die Texte ohne Abstände durchgeschrieben. Es gab Maßeinheiten für die Zeilenlänge (Stichos, Mz. Stichoi) als Orientierung.  Papyrus war sehr teuer, und ein Bogen musste deshalb optimal beschriftet werden.

Die  Kolometrie  versucht heute, fortlaufend geschriebene Gedichte und andere Texte wieder in Kola/rhythmische Sprecheinheiten  aufzuteilen, zu gliedern.

Das  Kolon  (Mz. Kola) ist die auf der Atempause beruhende rhythmische Sprecheinheit in Vers und Prosa.  (vgl. Fremdwörterduden,  3. Aufl. 1974, S. 381)

 

 

 

Spannende Rekonstruktionen des antiken Kola-/Schreib-Rhythmus

 

Die Beispiele von Gerd Lüderitz (in: Rhetorik, Poetik und Kompositionstechnik im Markusevangelium) und Hinweise von Barbara Sträterhoff/Alfons Weische auf Eduard Fraenkel  (zu  Cicero, De imperio Gn. Pompei)  sind bei der Aufteilung  des Markus-Textes in Kola-/Sprech-Rhythmus-Einheiten hilfreich.

Die Satzzeichen-Setzung im Griechischen Neuen Testament von Nestle-Aland  (27. Aufl., 4. Druck 2004, in der 28. Aufl. 2012 beibehalten) ist eine weitere Orientierungs-Hilfe.

 

Markus  selbst gibt entscheidende Impulse für die Kola-Einteilung seines Evangeliums  mit seiner Art der Verwendung von  kaí – und   als Teil der  „atemlosen (freien) Rede“  des Herolds/über den Herold  Jesus.

Und er gestaltet einen weiteren Akzent mit dem von ihm als Grund-Rhythmus eingesetzten  3-er – Rhythmus:  eine Fülle von  3-teiligen Kola,  der beständige Einsatz des  Trikolon.

 

 

Beim Einteilen in Kola als eigenständiges Kolon berücksichtigen:

  • Auftakte
  • ablativus absolutus(griech.: genetivus absolutus)
  • participium coniunctum
  • parallel oder antithetisch angeordnete Glieder
  • erweiterte Subjekte
  • erweiterte Akkusativobjekte
  • an der Spitze eines Satzes stehende Glieder mit einer zusammenfassenden
  • oder überschriftartigen Funktion

bei  Sträterhoff, Barbara/Weische, Alfons:  Kolometrie vor und nach Eduard Fraenkel. Zu  Cicero,  De imperio Cn. Pompei.

 

Gerd Lüderitz, Zusammenfassung:

„(1)  Der Text des Markusevangeliums besteht aus kurzen, rhythmischen Kola. Nach den in Rhetorenschulen gelehrten Regeln richtet sich Markus aber nicht. Die Klangwirkung von Vokalen ist berücksichtigt und sinnvoll eingesetzt. Das Markusevangelium ist reich an rhetorischen Figuren:  Congeries, Alliteration, Geminatio, Oxymoron, Anapher, Epipher, Chiasmus, Wortspiel.   … „(MARKUS-Philologie,  S. 201)

 

 

 

Moderne Beispiele

 

Der Schriftsteller Christoph Ransmayr hat seinen Roman  „Der fliegende Berg“  vollständig in einem linksbündigen Flattersatz geschrieben. Der Sprech-Rhythmus bestimmt den Schreib-Stil.

Auch Anne Weber greift in  „Annette, ein Heldinnenepos“  diesen literarischen Stil von neuem auf.

 

 

LÜDERITZ, Gerd:  Rhetorik, Poetik, Kompositionstechnik im Markusevangelium – Zusammenfassung   (MARKUS-Philologie. Historische, literargeschichtliche und stilistische Untersuchungen zum zweiten Evangelium, hrsg. von Hubert Cancik.  –  Tübingen:  J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)  1984,  S. 165 – 203,  hier: S. 201 – 203)

RANSMAYR, Christoph:  Der fliegende Berg. Roman.  –  Frankfurt/M.:  S. Fischer  2006

STRÄTERHOFF, Barbara / WEISCHE, Alfons:  Kolometrie vor und nach Eduard Fraenkel. Zu Cicero, De imperio Gn. Pompei.  –  in:  Göttinger Forum für Altertumswissenschaft  4 (2001) 133-139 (www.gfa.d-r.d/4-01/straeterhoff-weische.pdf)

WEBER, Anne:  Annette, ein Heldinnenepos.  –  Berlin:  Matthes & Seitz  2020