„Jesus live“: eine geniale Transformierung/Übersetzung
- Jesus, das personifizierte Gespräch, in „Schrift“, in „Literatur“ verwandeln, ohne ihn zu einer „Sache“, zu einem „Objekt“ zu machen?
- Wie bleibt der Ungreifbare ungreifbar- aber auch: zugänglich, gegenwärtig?
- Wie entschwindet er nicht in die Vergangenheit, in die Zukunft?
- Wie bekomme ich „Feuer“ auf Papier, ohne dass das Papier verbrennt oder seine Menge das Feuer erstickt?
- Als LeserIn, HörerIn- in die Schwebe einer B e g e g n u n g kommen und bleiben (ganzheitlich, existentiell, kommunikativ)?
Seit ein Gespräch wir sind
Und hören können voneinander
Friedrich Hölderlin
„ho anaginóskon noeîto – der Lesende verstehe!“ ( 13, 14 )
Mit dieser Aufforderung tritt Markus kurz aus dem Hintergrund „ins Rampenlicht“. Es ist das 3. Mal, nach 7, 19 (rein erklärend alle Speisen) und 11, 13 (die Zeit nicht war der Feigen). Die Lesenden sind ihm ganz wichtig: dass sie v e r s t e h e n, wer Jesus für sie und mit ihnen ist. Wer sie selber sind. Und wie sie persönlich und gemeinsam im Sinne Jesu leben können.
Das g e s c h r i e b e n e Evangelium gestaltet er deshalb als Medium, als Mittel zur Begegnung mit Jesus, miteinander, mit sich selber, mit Gott.
1, 15 metanoeîte kaì pisteúete en tô euaggelío. / Um-denkt und vertraut/glaubt mittels/durch das Evangelium.
„en“ (+ Dat.) ist hier instrumental gebraucht: mittels, durch, mit Hilfe von – für „a n das Evangelium glauben“ würde im Griechischen „eis“ (+ Akk.) stehen.
Markus ist ein exzellenter literarischer Gestalter von selbst erlebten und ihm erzählten Begegnungen, Kommunikations-Ereignissen, Widerfahrnissen Jesu und mit Ihm/durch Ihn. Die Lesenden sind immer live dabei. Er schafft ein „unfertiges“, offenes literarisches Netz-Werk.
So bezieht er die Lesenden mit ein. Er ermutigt sie, Jesus persönlich zu begegnen und sein Evangelium selber und miteinander zu leben. Er verknüpft die Lesenden mit Jesus und den Menschen um ihn – und mit allen anderen Lesenden. Damit animiert er die Leserinnen und Leser, auch sich selber zu verknüpfen.
vgl.
[01-145] háptomai (med.) – anfassen, berühren (wörtlich: für sich persönlich sich verknüpfen)
siehe
JL 4.2.2 Heilende Begegnungen / Sich ganz persönlich verknüpfen
JM 2.2.3 Markus verfasst sein Evangelium v o r dem Tod Caligulas (24.1.41)
Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten,
und du hilfst ihnen zu werden, was sie sein können.
Johann Wolfgang von Goethe
Autor und Lesende ‚in Augenhöhe‘
„Der Leser ist der Zwilling des Dichters“, schreibt Hilde Domin („Das Gedicht als Begegnung“, S. 11). Diese Wertschätzung ermöglicht den Lesenden, sich nicht allein auf den Autor und seine Aussagen zu konzentrieren. Wie in einem guten Gespräch erleben sie sich selber als wichtig und in Augenhöhe mit dem Text. So wird auch die Verantwortung deutlich, die ich als Leserin, als Leser dem Text gegenüber trage.
- Wer bin ich als Leser, als Leserin?
- Wozu lese ich?
- Was suche ich?
- Wen …?
- Mit welchen Brillen, welchen Vorverständnissen, …?
Wir werden in der Bibel gerade so viel finden, als wir suchen:
Großes und Göttliches, wenn wir Großes und Göttliches suchen;
Wichtiges und Historisches, wenn wir Wichtiges und Historisches suchen;
überhaupt nichts, wenn wir überhaupt nichts suchen.
Karl Barth
BUSTA, Christine: Leseliste (Der Atem des Wortes. Gedichte. Hrsg. aus dem Nachlass von Anton Gruber. – Salzburg: Otto Müller Verlag 2. Aufl. 1995, S. 10)
BUSTA, Christine: Unter eine Leselampe gelegt (Salzgärten. Gedichte. – Salzburg: Otto Müller Verlag 2. Aufl. 1978, S. 92)
DOMIN, Hilde: Das Gedicht als Begegnung (H. PETZOLD / I. ORTH (Hrsg.): Poesie und Therapie: über die Heilkraft der Sprache. Poesietherapie, Bibliotherapie, literarische Werkstätten. – Paderborn: Junfermann Verlag 1985, S. 11 – 17)
DOMIN, Hilde: Das Gefieder der Sprache (Gesammelte Gedichte. – Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag 5. Aufl. 1995, S. 272)
ROHR, Richard: Übung 1: Stadien der Reife (Pure Präsenz. Sehen lernen wie die Mystiker. – München: Claudius Verlag 2010, S. 195 – 198)
ROHR, Richard: Was die Bibel uns zu sagen hat. – München: Claudius 2020
SÖLLE, Dorothee: Lesen (Gewöhnen will ich mich nicht. Engagierte Texte und Gedichte. Hrsg. von Bärbel Wartenstein-Potter. – Freiburg: Herder 2005, S. 218; = Herder spectrum Bd. 5614)
STEFFENSKY, Fulbert: Was finde ich an der Bibel? (Schöne Aussichten. Einlassungen auf biblische Texte. – Stuttgart: Radius Verlag 2006, S. 213 – 218)
THIEDE, Carsten Peter: zur Schriftkultur der ersten Christen (Ein Fisch für den römischen Kaiser. Juden, Griechen, Römer: Die Welt des Jesus Christus. – München: Luchterhand Verlag 1998, S. 293/294; 311 – 320)
1.1.1 mixtum compositum – komponierter Mix
1.1.2 kaì – kaí – und – und / sowohl – als auch
1.1.3 Jesus-Erfahrungen als literarisch-spirituelle Strukturierungs-Elemente
1.1.4 Grammatikalische Präzisionsarbeit
1.1.5 Sprech-Rhythmus & Schreib-Stil
1.1.6 Literarische Gattungen
1.1.7 Zahlen-Rhythmen
1.1.8 Konzentrierte Fülle: Auswahl + Wort-Wahl