12  x  wird  Jesus  didáskalos – Lehrer  [04-49]  genannt: die heilige Zahl der Ganzheit. Eine wesentliche EigenArt  Jesu  kommt darin zur Sprache:  er ermächtigt die Menschen. Er spricht sie bei ihren Lebenserfahrungen an – und nimmt sie ernst.

„In Augenhöhe“  kommuniziert er mit allen, nicht  „von oben herab“  zu den  „Nichtwissenden“.  Er bringt nicht  „Dummen“  etwas  „Gescheites“  bei, er traut den sogenannten  „einfachen Leuten“  Einsicht und Verstehen zu.  Und er erwartet sich das auch von ihnen, ganz besonders von seinen Schülern.

 

Jesus  diskutiert und argumentiert überall mit den Menschen, nicht nur im  „geschützten Raum“  von Synagoge und Tempel.   Denn  Gott  ist überall,  und in jedem, in jeder gegenwärtig.

Er schöpft aus seiner eigenen, persönlichen Erfahrung Gottes, für die er mit seiner ganzen Person einsteht.  Sie ist Quelle seiner  exousía – Erlaubnis/ Freiheit/ Recht/ Macht/ Vollmacht  [05-096],  die die Menschen spüren und dabei aufleben.  Quelle seiner EigenArt auch als  didáskalos – Lehrer.

 

 

Der Mensch ist eine Sprache, in die Gott übersetzt werden kann.

Romano Guardini

 

 

 

Jüdische Lehr- und Lern-Kultur

 

Die jüdische Lehr- und Lern-Kultur, in der  Jesus  und  Markus  verwurzelt sind, ist bestimmt vom wechselseitigen Zuhören und Mitreden. Von ständigen Diskussionen über die Bedeutung einer Aussage (besonders der Heiligen Schriften), vom differenzierten Argumentieren bis hin zu echten  „Haarspaltereien“.

Von klein auf wachsen jüdische Kinder, vor allem die Buben, in dieser höchst kommunikativen Lehr-/Lern-Tradition auf.  Mit ca. 7 Jahren endete das Lebensalter des   [16-002paidíon – (Klein)Kindes, das unter der Obhut der Mutter lebte.

Bei uns herrscht eine anders akzentuierte Lehr-/Lern-Kultur. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu sehen und mit in Rechnung zu stellen. In unserer Schul-Kultur heißt  „lernen“  eher:  Antworten (anderer) aufnehmen + abspeichern + auf Druck (z. B. Zeugnis) wiedergeben können …  Weniger:  diskutieren, argumentieren, ständig nach-fragen, einsehen, verstehen.

 

 

Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind so lange hält,

bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.

Maria Montessori  (1870 – 1952)

 

 

siehe

JL  2.3.3  LeserInnen des Evangeliums

 

 

 

Charakteristisch für  Jesus:   didásko – lehren

 

10, 1  kaì  eióthei  pálin  edídasken  autoús.  //  Und  wie er gewohnt war  wieder  lehrte er  sie.

 

 

Es ist bemerkenswert, dass   mantháno – lernen  [12-08]  im ganzen  Markus-Evangelium nur ein einziges Mal (!)  vorkommt  –  und da geht es nicht um  „auswendig lernen“, sondern  Jesus  erinnert die Schüler an ihr Wissen, woran die Nähe des Sommers erkennbar ist:  Vom  Feigenbaum  aber  lernt  das  Gleichnis … ( 13, 28 ).

 

 

Lehren heißt nicht, ein leeres Gefäß zu füllen,

sondern eine Fackel anzuzünden.

Heraklit

 

 

BUBER, Martin:  In den Spuren des Vaters   (Erzählungen der Chassidim.  –  Zürich:  Manesse Verlag  1949,  S. 625)

BLUMENBERG, Hans:  Aus dem Ungeschriebenen  (außerkanonisches Jesuswort)     (Notizen zum Atheismus. Aus dem Nachlass.  –  Frankfurt/M.:  S. Fischer Verlag  Neue Rundschau  118. Jg.  2007,  H. 2 „Atheismus“,  S. 154/5)

BRUNERS, Wilhelm:  Wie Jesus glauben lernte.  –  Freiburg:  Herder  2006

ENDE, Michael:  Eine ungewöhnliche Eigenschaft und ein ganz gewöhnlicher Streit   (Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Ein Märchen-Roman. Mit Illustrationen von Claus Danner.  –  München:  Wilhelm Heyne Verlag  1996,  S. 19 – 21;   Heyne TB  Bd. 10134)

ZENETTI, Lothar:  Ein Mensch wie Brot   (Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht.  –  Mainz:  Matthias Grünewald Verlag  2000,  S. 134/5;   = Topos Nr. 327)

 

 

Was man verstehen gelernt hat,  fürchtet man nicht mehr.

Marie Curie