Jesus handelt
Leute bringen einen Blinden zu Jesus. Sie bitten, dass er ihn berühre. Jesus nimmt den Blinden fest an der Hand, bringt ihn weg von den Leuten. Er widmet sich ihm allein + ganz persönlich. Er berührt ihn „außen“ + „innen“: mit Speichel und Handauflegen auf seine Augen/sein Antlitz, mit seinen Worten: er f r a g t i h n!
eí ti blépeis (präs.) ; – „Ob (irgend)etwas du (er)blickst?“ ( 8, 23 )
Jesus nimmt den Kranken als Person ganz ernst – als Subjekt, nicht als „Heilungs-Objekt“, an dem er seine Überlegenheit demonstriert. H e i l e n ist für Jesus ein wechselseitiges Beziehungs-Geschehen, ein hoch-energetisches Ereignis intensivster Kommunikation.
Und der blinde Mann?
Der blinde Mann – einer, der in der Dunkelheit lebt, ganz abhängig von den anderen – lässt sich auf das Nähe-Angebot Jesu ein. Die Kraft-Übertragung Jesu, seine echte Nähe, die ihn nicht beherrscht, kleinmacht, vermarktet, … ermöglicht dem blinden Mann, a u f zu blicken – ana-blépein. Sein Haupt zu erheben und seiner Seele Luft zu geben. Und s o schaut er auf „die Menschen“.
blépo toùs anthrópous / hóti hos déndra horô (präs.) peripatoûntas (präs. part.). – „Ich (er)blicke die Menschen / denn ich sehe wie Bäume Umherwandelnde.“ ( 8, 24 )
Jesus ist einverstanden mit dieser „Sicht“, diesem Menschenbild: er intensiviert die Therapie = 2. Berührung. Das Ergebnis:
- durch-blicken – auf den Grund, nicht zu Boden!
- wiederhergestellt sein – apokathístamai (medizinischer Fachausdruck, wie 3, 5)
- telaugôs – leuchtenden Auges/ganz genau [19-15] an-blicken, hinschauen, deutlich sehen
siehe
JL 4.2 Geheilte Sinne – belebter Sinn
Das Herz muss sich lösen. Dann öffnet sich der Blick.
Romano Guardini
Prophetenwort „blépo – blicken, sehen“
In der ersten der beiden Blinden-Heilungen ( 8, 22 – 26 ) spielt die Wortgruppe blépein – blicken, sehen sprachlich die Hauptrolle.
Vers 23: „ob (irgend)etwas du (er)blickst?“ – blépein blicken, sehen
Vers 24: „a u f – blickend sagte er“
- a n a – blépein aufblicken, wieder sehen, ein Gesicht wiedererhalten [01-072]; siehe 10, 51. 52 (der blinde Bartimäus); 16, 4 (die 3 Frauen beim Grab Jesu); 6, 41; 7, 34 (Jesus: beim 1. Mahlsegen – Juden; bei der Heilung des Taubstummen – Heiden)
„ich (er)blicke die Menschen“
- blépein blicken, sehen [02-28]
„d u r c h – blickte er“
- d i a – blépein – hindurchsehen, scharf zusehen (eig. die Schleierhülle durchbrechen) [04-27]
„a n – blickte er leuchtend/genau alles insgesamt“
- e m – blépein anblicken, hinschauen, deutlich sehen [05-055]; siehe 10, 21. 27 (Jesus: den reichen Mann; seine Schüler); 14, 67 (Magd/Sklavin des Hohenpriesters den Petrus)
Markus verwendet blépo – blicken, sehen nur bei Jesus und diesem blinden Mann!
siehe
JM 1.1.8.2 Propheten-Sprache blépo – (er)blicken, sehen
Man braucht manchmal
die viele Wege und Umwege eines langen Lebens,
um die Dinge dann plötzlich
von einer so erstaunlichen Seite her zu sehen,
dass man erschrickt über die lange Finsternis,
in der man herumtappte
und die man vielleicht gar für eitel Licht gehalten hat.
Peter Wust