Wie beim 1. öffentlichen Auftreten Jesu in Kafarnaum am Sabbat in der Synagoge ( 1, 23 – 28 ) kommt es auch bei seinem 1. Auftreten auf heidnischem Gebiet (in der Dekapolis) zur Konfrontation mit einem „Menschen/Mann in einem unreinen Geist“ ( 5, 1 – 20 ).
Diese „Parität“ von Juden + Heiden gestaltet Markus als ein weiteres grundlegendes Kompositions-Prinzip seines Evangeliums (so wie Frauen + Männer), um eine wesentliche EigenArt Jesu zu verdeutlichen.
siehe z. B.
[01-085] ana-pípto – sich zu Tisch legen
Der „neue Jona“
Jesus entscheidet sich, zum jenseitigen Ufer hinüberzufahren/hinein ins Jenseitige hindurchzugehen: in die heidnische Dekapolis [04-14]: 4, 35 – 41
Der „neue Jona“ erfüllt bewusst den Auftrag Gottes: Heil für alle Menschen. Der „alte“ wollte sich mit einem Schiff ans Ende der Welt absetzen, weil er den Heiden die Barmherzigkeit Gottes nicht gönnte.
Dieser Prophet ist Jesus seit Kindheit vertraut: dessen Grabmal in Gat-Hefer war ein beliebter Wallfahrtsort, nur einige Kilometer von Nazareth entfernt.
vgl. Karte
JM 1.4.3.1 Galiläa zur Zeitenwende (Karte)
Markus gestaltet diese I n i t i a l -Fahrt Jesu mit teilweise wörtlichen Zitaten aus dem „Buch des Propheten Jona“ und Anspielungen das Evangelium hindurch.
PIXNER, Bargil: Eine bewegte Überfahrt (Mit Jesus durch Galiläa nach dem fünften Evangelium. – Rosh pina: corazin publishing 1992, S. 42)
GALILÄA zur Zeitenwende: Die Heimat Jesu. Eine historische Karte. Beratung: Bargil Pixner (Corazin 1986)
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen.
Ein Werdender wird immer dankbar sein.
Johann Wolfgang von Goethe
Kraft(taten) Jesu in heidnischen Gebieten
- die 1.: 5, 1 – 20: Befreiung des vom „Legion“ Dämonisierten; er sendet ihn, das Erbarmen des Herrn den Seinen zu berichten – am Ostufer des Meeres von Galiläa
ein „Triple-Pack“ zum Abschluss des GALILÄA-Teils:
- 7, 24 – 30: eine Syrophönizierin bittet ihn um Dämonen-Hinauswurf aus ihrer kleinen Tochter – im Gebiet von Tyros
- 7, 32 – 37: die Leute bitten ihn um Heilung eines Taubstummen – im Gebiet der Dekapolis
- 8, 1 – 9: Jesus initiiert die Speisung des heidnischen óchlos – Volksmenge/ Pöbels, in der Dekapolis am Ostufer des Meeres von Galiläa
Lernen wir, dass es nur eine einzige Liebe gibt:
Wer Gott umarmt, findet in seinen Armen die Welt;
wer in seinem Herzen das Gewicht Gottes aufnimmt,
empfängt auch das Gewicht der Welt.“
Madeleine Delbrêl
Eine verzweifelte Mutter kontert Jesus aus: 7, 24 – 30
7, 27 Und er sagte ihr: / Zu-lass (dass) zuerst gesättigt/satt wurden die Kinder, / nicht nämlich ist es schön/gut/richtig / zu nehmen das Brot der Kinder / und (es) den Hündchen zu werfen. / 28 Die aber antwortete und sagt ihm: / k ´yrie· – Herr: / und/auch die Hündchen unterhalb des Tisches / essen von den Stückchen/Krümchen der (Klein)Kinder/Kindchen ! / 29 Und er sagte ihr: / Wegen dieses Wortes hingehe, / herausgegangen ist heraus aus deiner Tochter der Dämon.
Mit einer unpersönlichen Bemerkung über seine Berufung lässt Jesus die bittende Frau – eine griechischsprachige Syrophönizierin aus der Gegend von Tyros – abblitzen. Er sagt „entgegenkommend“ toîs kynaríois – den Hündchen [10-113], und nicht: ‚den Hunden’. Und mit diesem „Wort-Krümchen“ kontert die verzweifelte Mutter den exklusiven Auserwählungs-Anspruch Jesu schlagfertig aus: „auch die Hündchen unter dem Tisch essen von den Krümchen der Kindchen“ !
Ihr Vertrauen – ‚ein Stückchen/Krümchen von Dir, k ´yrios – Herr, genügt“ macht ihm seine beschränkte Vorstellung von „Erwählt-sein“ bewusst – und er zieht sogleich die Konsequenzen. Vielleicht hat sie ihn an den römischen Centurio/Hauptmann in Kafarnaum erinnert: „… doch einzig sprich ein Wort und gesund wird mein Sklave“ ( Mt 8, 8 ), eine Begegnung, die Matthäus überliefert ( Mt 8, 5 – 13 ).
Markus ist von dieser schlagfertigen Frau sichtlich beeindruckt. Er ‚verknüpft’ ihre Begegnung mit Jesus durch seine Wortwahl mehrfach mit der an Blutfluss leidenden Frau und dem Synagogenvorsteher Jairos ( 5, 21 – 43 ). Und er setzt sie auch mehrfach mit Jesus parallel.
siehe
JL 4.3.3 Markus gestaltet präzise
JM 1.2.7.1 Parallel-Setzen Jesu mit Frauen
Heiden vertrauen Jesus – er wandelt sich dadurch
Mit einem starken literarischen Akzent gestaltet Markus dieses aufregende Spannungsfeld: Offenheit und tiefes Verstehen der Heiden Jesus gegenüber. Er setzt die Heiden in die MITTE bei der Quer-Komposition einzelner Worte.
Und macht zugleich nachvollziehbar, dass Jesus durch die Begegnungen mit den für ihn offenen und ihm vertrauenden Menschen selbst weiter und offener wird.
11-02 * l a l é o – 19 + [[ 2 ]] x – reden
„Mitte“ der 19 Verwendungen: 9 x – 7, 37 – 9 x: die H e i d e n in der Dekapolis!
7, 37 Und über alle Maßen herausgeschlagen wurden/fassungslos waren sie sagend: / schön/gut alles gemacht hat er, / und die Tauben macht er hören / und [die] Redelosen/ Stummen reden. vgl. Gen 1, 1 – 2, 3; Jes 35, 5 f.
Der Lobpreis der ‚Leute’ angesichts der Heilung des tauben und stummen Mannes erinnert an Gott, der alles „gut“ gemacht hat ( Genesis 1, 1 – 2, 3 ) und an die prophetische Verheißung für die Vollendung der Schöpfung ( Jesaja 35, 5 f. ). Die Jona-Erzählung klingt auf: die heidnischen (!) Seeleute ‚(ehr)fürchteten eine große (Ehr)Furcht vor dem Herrn, dem Gott Israels‘ ( Jona 1, 10. 16 ).
Jesus, der „neue Jona“, erlebt, dass Gott durch ihn den Heiden Barmherzigkeit in Überfülle schenkt – und er wandelt sich dadurch.
Markus stellt Heiden „in die Mitte“
12-30 * m é s o s 3 – 5 x – in die Mitte, mitten
- a 3, 3 eis méson – Jesus zum Menschen mit ausgetrockneter Hand
- b 6, 47 en méso – die 12 im Schiff in (der) Mitte des Meeres
- c 7, 31 anà méson – inmitten der Dekapolis/Zehnstädte – h e i d n i s c h e s Gebiet !
- b’ 9, 36 en méso (Klein)Kind in (der) Mitte der Zwölf
- a’ 14, 60 eis méson der Hohepriester im Prozeß gegen Jesus
Markus hätte an Stelle von aná auch en – in (wo?) nehmen können – (eis – hinein in; wohin?) z. B. Jesaja 58, 12: anà méson
siehe auch
[05-008] éthnos – Geschlecht; Volk; pl. auch: Heiden
Auf der Basis-Ebene der W o r t e gestaltet Markus diese EigenArt Jesu bei mindestens 57 Wort-Netzwerken.
Im 3. Hauptteil seines Evangeliums, „JERUSALEM“ , erzählt Markus als 3. prophetisches Zeichen, das Jesus setzt, vom Hinauswurf der Händler und Geldwechsler im Tempel: Gott ist für alle zugänglich, „rein“ und „unrein“ sind aufgehoben.
Ein spannungsreicher Wandlungs-Bogen Jesu von der ersten Überfahrt ins Gebiet der Heiden ( 4, 35 – 41 ) bis zur prophetischen Öffnung des Tempels für alle: 11, 15 – 17.
BRUNERS, Wilhelm: Das Erbe des Jona – Der Grenzgänger (Was Jesus von Nazareth wollte oder Das Erbe des Jona. Erweiterte Fassung des Vortrags vom 15. Juni 2000. – Wien: Picus Verlag 2002, S. 22 – 25; 41 – 48; Wiener Vorlesungen im Rathaus, Bd. 85)
BRUNERS, Wilhelm: 10. Und es wird keine Händler mehr im Tempel geben oder der Tag nach dem Gericht (Was Jesus von Nazareth wollte, S. 48 – 56)
GRUBER, Elmar: Taubheiten + Sprach-Lähmungen (SonntagsGedanken. Betrachtungen und Gebete für alle Sonn- und Festtage; Lesejahr B. München: Don Bosco 1999, S. 263. 264)
JOCHUM-BORTFELD, Carsten: Antike Judenfeindschaft (Die Verachteten stehen auf. Widersprüche und Gegenentwürfe des Markusevangeliums zu den Menschenbildern seiner Zeit. – Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2008, S. 118 – 123)
OOSTERHUIS, Huub: Du sprichst und rufst (Du bist der Atem und die Glut. Gesammelte Meditationen und Gebete. – Freiburg: Herder 3. Aufl. 1995, S. 94)
PIXNER, Bargil: Es muss eine lange Fußwanderung gewesen sein (Mit Jesus durch Galiläa nach dem fünften Evangelium, Rosh Pina: corazin publishing 1992, S. 80)
SCHAFFER, Ulrich: Die Botschaften deines Körpers (Entdecke das Wunder, das du bist. Der Wunsch, wirklich lebendig zu sein. Schriftgrafiken von Friedrich Peter. – Stuttgart: Kreuz Verlag 1987, S. 24)
Juden + Heiden – Wort-Netzwerke: Beispiele
01-033 akáthartos unrein (kultisch-rituell)
01-072 anablépo (hin)aufblicken; wieder sehen; das Gesicht wiedererhalten JM 1.4.4.1; JM 1.4.6.1
01-085 anapípto sich zu Tisch legen
01-097 ánthropos, ho Mensch; Mann; pl.: Leute
01-135 apol ´yo entlassen, wegschicken
01-145 hápto anknüpfen; Med.: anfassen, berühren JL 4.2.2; JL 5.3.3; JM 1.3.2; JM 3.3.2
01-155 ártos, ho Brot
01-160 árcho herrschen; Med.: anfangen, beginnen
02-02 bállo werfen, legen
02-12 basileús, ho König
03-03 Galilaía, he Galiläa
03-35 gyné, he Frau; Ehefrau
04-01 daimonízomai dämonisiert, besessen sein JL 4.3.2; JM 1.1.4
04-02 daimónion, tò Dämon, böser Geist
05-008 éthnos, tò Geschlecht; Volk; Plur. auch: Heiden
05-036 ekplésso herausschlagen; Pass.: fassungslos, bestürzt sein
05-050 eleéo sich erbarmen, bemitleiden
05-126 epitíthemi darauflegen; dazufügen
05-150 euth ´ys gerade; gerecht; Adv.:geradezu, sogleich, sofort
05-162 écho haben; festhalten
08-02 thálassa, he Meer JM 1.2.10
08-08 thaumázo staunen, sich wundern
08-11 thélo wollen
08-13 theós, ho Gott
08-29 thygáter, he Tochter JM 1.2.10
08-30 thygátrion, tò Töchterchen
09-06 ídios eigen; persönlich; privat JM 1.2.5.2
09-15 Iesoûs Jesus
10-069 ker ´ysso als Herold ausrufen, verkündigen JL 2.3.1
10-080 klíne, he Bett; (Tisch)Lager
10-116 k ´yrios, ho Herr
11-28 l ´yo lösen
12-07 mâllon mehr
12-30 mésos (in)mitten JL 1.3.6
15-08 oîkos, ho Haus
15-54 ouranós, ho Himmel
15-61 óchlos, ho Volksmenge, Pöbel
16-002 paidíon, tò (Klein)Kind
16-020 parakaléo herbeirufen; bitten
16-029 paratíthemi (Speisen) vorsetzen, auftragen JM 1.2.4.5
16-053 péran jenseits JM 1.1.7.1
16-064 perissós überreichlich
16-091 pléroma, tò Füllung, Füllstück
16-097 pneûma, tò Hauch; Atem; Geist
16-105 pólis, he Stadt
16-122 poús, ho Fuß
16-155 prospípto darauffallen; niederstürzen vor
16-170 pt ´yo spucken, speien
18-010 se dich
18-033 soí, soi dir (betont; unbetont)
18-044 splagchnízomai die Eingeweide aufwühlen, sich erbarmen JL 3.2.2; JL 5.1.2
20-19 hypokáto unterhalb, unten darunter
21-14 phobéo scheuchen, erschrecken; Pass.: erschreckt werden, sich (ehr)fürchten JM 1.1.4.3
21-26 phoné, he Stimme; Sprache
22-24 chóra, he Land(schaft), Gegend, Gebiet