„Unerhört, überraschend, ungewohnt, unerwartet, neu – kainós“ [10-010], so kommentieren die Leute in der Synagoge von Kafarnaum das erste öfferntliche Auftreten Jesu.
„Unerhört“: ihr S t a u n e n ist unüberhörbar. In der konzentrierten Sprache des Markus (1, 27): tí estin toûto; // Was ist dieses? [ vgl. Ex 16, 15 – das Volk Israel über das Manna in der Wüste] didachè kainè kat’ exousían· // eine Lehre neue/unerhörte in/betreffs Erlaubnis/Freiheit/Voll-Macht?
„Unerhört – das gehört sich nicht!“ Die E n t r ü s t u n g der Schriftexperten spielt sich zwar „in ihren Herzen“ ab, ist aber unübersehbar. Jesus macht sie öffentlich ( 2, 7 – 11 ).
Staunen und Entrüstung über Jesus, seine EigenArt und die Folgen, die daraus erwachsen, komponiert Markus literarisch in seinem Evangelium. Das hat Konsequenzen auch für die Einschätzung seiner Arbeit als Verfasser des ersten Evangeliums.
Literarisch und spirituell innovativ
L i t e r a r i s c h schafft Markus sich einen Sprech-/Schreib-Rhythmus, der die Atemlosigkeit des Freudenboten Jesus und der 3 Frauen als Heroldinnen seiner Auferweckung durch Gott enthält und widerspiegelt.
Besonders auffällig: die „überdimensionierte“ Verwendung von kaí – und. Unaufdringlich präsent der 3-er – Rhythmus, der alle Ebenen des Textes durchwirkt und vernetzt.
Er schreibt eine konzentrierte, knappe Sprache im „Gesprächsstil“ der Alltags-Kommunikation. Er verwendet umgangssprachliche Redewendungen ebenso wie „Hochsprachen-Grammatik“ und – Erzählweise (vgl. Partizipien-Verwendung: doppelte und dreifache; kunstvolle Perioden: 5, 2 ff.; 5, 25 ff.; …Integration verschiedener literarischer Gattungen; aristotelische Erzähltheorie, 14, 1-10; …)
Ein aufregender, innovativer Mix …
S p i r i t u e l l: Die unerhörte literarische Gestaltung entspricht genau dem unerhörten Inhalt – und umgekehrt:
- Jesus, aus dem Dorf Nazareth in Galiläa, mit seiner eigenSinnigen Gottes-Erfahrung. Ein vor aller Welt am Kreuz gescheiterter Bauhandwerker und Wanderprediger, den 3 Frauen als auferstandenen Weg-Gefährten verkündigen.
- Und seine EigenArt, jedem, jeder solch eigenSinnige spirituelle Erfahrungen zuzutrauen. Und mit den dadurch geschenkten, „entbundenen“ Energien das Leben selbst unerhört, neu – kainós zu gestalten. In einem neuen, unerhörten – kainós Miteinander: „Dein Vertrauen/Glaube gerettet hat dich“: 5, 34 – zu Frau; 10, 52 – zu Mann
Sofia Gubaidulina, Komponistin, in einem Interview:
„Manchmal habe ich zuerst einen geheimnisvollen Klang im Kopf, der ist ganz undefinierbar, aber es ist,als ob das ganze Werk gleichzeitig erscheint“, sagt sie. Komposition ist „die Verwandlung dieser Vertikale“.
Die ZEIT Nr. 42 vom 9.10.2008, S. 73
GUBAIDULINA, Sofia: Komponieren (Die ZEIT Nr. 42 vom 9. 10. 2008, S. 73)
JÜRGENS, Udo: „Wiedererkennen ist Wohlbefinden“. Der Komponist und Sänger Udo Jürgens erklärt, wie seine Lieder funktionieren – und warum ihm noch beim 100. Konzert die Tränen kommen. Gespräch mit Christoph Drösser und Wolfram Goertz. – in: Die ZEIT Nr. 35 vom 26.8.2010, S. 33)
1.2.1 Das Jahr Jesu: Heil für alle Gedrückten
1.2.2 Dramatisches Evangelium: atemberaubend & ernüchternd
1.2.3 Spannungs-Bögen (in) einer offenen Geschichte
1.2.4 3er-Rhythmen
1.2.5 Rhythmus 7 + 1
1.2.6 Anspiel-Technik
1.2.7 Parallel-Setzen
1.2.8 Quer-Kompositionen
1.2.9 Kontraste
1.2.10 erstes + letztes Vorkommen
1.2.11 wechselseitige Erhellungen
1.2.12 Eigen-Worte
„Das hätte ich auch gekonnt“,
sagt der Betrachter eines Bildes.
„Aber erst, nachdem du es bei mir gesehen hast“,
antwortet Picasso.