Vielfalt literarischer Gattungen
Eine erstaunliche Vielfalt an unterschiedlichen literarischen Gattungen ist im Evangelium des Markus zu finden. Elemente von
- D r a m a: der Altphilologe Günther Zuntz nennt Markus den „christlichen Aischylos“ (Ein Heide liest das Markusevangelium, S. 221/2); für den Hebräisten und Altertumswissenschaftler Karl Jaroš orientiert sich Markus am Schema der klassischen Tragödie (Das Evangelium nach Markus, S. 182/3)
- kaí – und V o l k s l i t e r a t u r: in literarischer Spitzenqualität, stellt Marius Reiser fest (Der Alexanderroman und das Markusevangelium, 161)
- kaí – und P r o p h e t e n b ü c h e r n: Gerd Lüderitz (Rhetorik, Poetik, Kompositionstechnik, S. 167/8)
- kaí – und H o c h l i t e r a t u r / Erzählung: z.B. 14, 1 – 11: entsprechend der aristotelischen Literaturtheorie komponiert; s. Stefan Lücking, Mimesis der Verachteten
- kaí – und G e s c h i c h t s s c h r e I b u n g: einen parataktischen/ beiordnenden Stil und das ‚historische Präsens’ verwenden z.B. Herodot und Xenophon
- kaí – und B e r i c h t: Markus schreibt (auch) in der Art des „schlichten Stils“, der für Bericht und Argumentation vorgesehen war (vgl. Fuhrmann, Die antike Rhetorik, S. 144/5)
- kaí – und g r o ß e r (freier) R e d e: er nutzt das große stilistische Repertoire der Rhetorik (s. Lüderitz, Rhetorik, …, S. 201 f); für ein „Thema von höchstem Wert“, aber im ‚schlichten Stil’ statt des dafür vorgesehenen ‚pathetisch-erhabenen Stils’ (vgl. M. Fuhrmann)
- kaí – und A l l t a g s – K o m m u n I k a t I o n
- kaí – und …
siehe
JM 1.1.1 mixtum compositum – komponierter Mix
JL 1.3.4 Die 12: „mixtum compositum – komponierter Mix“ Jesu
Das Evangelium Jesu Christi – ein „mixtum compositum – komponierter Mix“
Nicht nur die Vielfalt an literarischen Gattungen im Evangelium des Markus ist erstaunlich, auch dass sie auf den ersten Blick gar nicht erkennbar ist. Markus schreibt nicht „absatzweise“ einmal in dieser Literatur-Gattung und dann in einer anderen, er lässt die Stile ‚ineinander übergehen’, verwendet sie von innen her. Ein meisterhafter Könner (und Liebhaber) der Literatur und ihrer kommunikativen Kräfte.
Er erzählt die J e s u s -Geschichte(n) mit allen ihm zu Gebote stehenden literarischen Möglichkeiten. Er zieht nicht e i n e n literarischen Stil „sauber“ durch.
Mit Hilfe der so unterschiedlichen literarischen Gattungen gestaltet er das mixtum compositum des Evangeliums Jesu Christi. Für a l l e verständlich lesbar, nicht bloß für eine Handvoll Experten und „höher Gebildete“.
siehe auch
JM 1.1.8.1 Markus erzählt exemplarisch
Die offene und integrative EigenArt Jesu lässt sich in diesem literarischen Stil des Markus mit einem kleinen „Trick“ feststellen. Man braucht nur an Stelle der Namen der literarischen Gattungen z. B.
- jeweils Namen der 12 Schüler und der 3 Frauen einsetzen
- und/oder den eigenen Namen
- und/oder die von liebenswerten und von unguten Bekannten …
CARSTEN, Catarina: Das Gedicht (Meine Hoffnung hat Niederlagen. Gedichte. – Salzburg: Otto Müller Verlag 2. Aufl. 1990, S. 78)
FUHRMANN, Manfred: Die Stilqualitäten und die Stilarten (Die antike Rhetorik. Eine Einführung. – Düsseldorf: Patmos Papaerback 2007, S. 139 – 145; = 5. Aufl. 2003)
JAROŠ, Karl: Das Evangelium nach Markus. Einleitung und Kommentar. – Patrimonium-Verlag 2016
JAROŠ, Karl/Ulrich VICTOR: Die synoptische Tradition. Die literarischen Beziehungen der drei ersten Evangelien und ihre Quellen. – Köln Weimar Wien: Böhlau 2010
LÜCKING, Stefan: Mimesis der Verachteten. Ein Studie zur Erzählweise von Mk 14, 1 – 11. – Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1993
LÜDERITZ, Gerd: Stil und Gattung (Rhetorik, Poetik, Kompositionstechnik des Markusevangeliums, in: MARKUS-Philologie, S. 167/8)
MARKUS-Philologie. Historische, literargeschichtliche und stilistische Untersuchungen zum zweiten Evangelium, hrsg. von Hubert Cancik. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (=Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 33)
REISER, Marius: Zur Gattung und literaturgeschichtlichen Einordnung (Der Alexanderroman und das Markusevangelium, in: MARKUS-Philologie, S. 131 – 163,hier: S. 161)
RÜGER, Hans Peter: Die lexikalischen Aramaismen im Markusevangelium (MARKUS-Philologie, S. 73 – 84)
ZUNTZ, Günter: Epilog (Ein Heide las das Markusevangelium, in: MARKUS-Philologie, S. 205 – 222, hier: S. 221/2)