Seine grammatikalische Präzision ist Teil seiner genauen Recherchen, seiner nüchternen Beschreibungen, seiner Absicht, die Leserin, den Leser mit zu beteiligen. „Wie nebenher“ wächst die Aufmerksamkeit für sprachliche Details – und damit auch die Sensibilität für die Zwischentöne, ohne die weder Musik noch Sprache verstehbar sind.
Markus schafft es mit seinen literarischen EigenArten, die Grammatik für die Lesenden wichtig zu machen, ja: spannend. z. B. welche Zeitenfolge bei den Verben er macht, welche Wort-Wahl er trifft, welche Satz-Konstruktionen er gestaltet – und für wen besonders aufwändige (!), …
Markus kennt die Grammatiken verschiedener Sprachen:
- den Dialekt der aramäischen Umgangssprache,
- das Hebräisch der Heiligen Schriften,
- das klassische und das hellenistische Griechisch (die Kultur- und Geschäftssprache seiner Zeit),
- das Latein der den Mittelmeerraum beherrschenden Römer.
Und er verwendet die Grammatik-Kenntnisse seiner Leser und Leserinnen, um ihnen die Grammatik des Evangeliums Jesu nahezubringen: Begeisterung und Freude, EigenSinn und Verbundenheit, alle(s) ‚in Augenhöhe’ miteinander.
Er macht mit der Grammatik inhaltliche Aussagen
Markus arbeitet sehr genau, er macht mit den Möglichkeiten der Grammatik inhaltliche Aussagen. z. B. die beiden durchkomponierten Vorstellungen der an Blutfluss leidenden Frau in Kafarnaum ( 5, 25 – 28 ) und des dämonisierten Mannes am heidnischen Ufer des Sees Genezareth ( 5, 2 – 5 ).
Hochsprachen-Grammatik für gesellschaftlich-religiöse ‚Außenseiter’.
Eigenarten des Alt-Griechischen, die es im Deutschen nicht gibt
Die folgenden Beispiele verdeutlichen zum einen die präzise Verwendung der Grammatik durch Markus für sein eigenSinniges literarisches Werk. Zum anderen Eigenarten der altgriechischen Sprache, die für Verständnis und Übersetzung ins Deutsche bedeutend sind. Ihre Kenntnis ist wichtig, damit Feinheiten nicht untergehen.
- genetivus absolutus: im Deutschen: Nebensatz mit „als“, „nachdem“, „während“
- AcI – Accusativus cum infinitivo / 4. Fall mit Nennform: im Deutschen meist Nebensatz mit „dass“
- das Medium: „Mittleres“ zwischen „Aktiv und „Passiv“. Drückt das ganz persönliche Interesse einer handelnden Person aus, körperliche und/oder seelische Betroffenheit. Mit einer einzigen Form, wofür im Deutschen mehrere Wörter nötig sind
- Aorist: zeigt den Vollzug einer Handlung an. Im Deutschen meist Mitvergangenheit, auch Perfekt, bei Partizipien oft gleichzeitig zum Hauptverb übersetzbar
- Verb: im Griechischen mehr TUN-Wort als Zeit-Wort
- Präposition beim Verb immer vorangestellt: ana – blép – o / auf – blicke ich – : ich blicke … auf
- Tempus/Zeitform am Verb selber ablesbar (vgl. im Italienischen), im Deutschen sind oft Hilfszeitwörter nötig
Die besondere Betonung eines Wortes kann geschrieben unterschiedlich ausgedrückt werden. z. B. Stellung im Satz; visuell: mit Großbuchstaben, anderer Schriftart, …
Im Griechischen, Lateinischen, Italienischen zeigt das persönliche Fürwort beim Verb/ Tunwort an, dass die Betonung, der Schwerpunkt auf diesem Fürwort liegt: egó eimi – ego sum – io sono = I C H bin, nicht: ich b i n.
Im Deutschen, Französischen, Englischen wird das persönliche Fürwort „verdoppelt“, um seine besondere Betonung/Bedeutung anzuzeigen: Ich, ich bin.. – Moi, je suis – Me, I am.
siehe
JL 1.1.2 ICH bin – die Antwort Jesu
BUBER, Martin: Wie er Chassid wurde (Die Erzählungen der Chassidim. – Zürich: Menasse Verlag 1949, S. 774)
DOMIN, Hilde: Ars longa (Gesammelte Gedichte. – Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag 5. Aufl. 1995, S. 295)
KUNZE, Reiner: Münze in allen Sprachen (Gedichte. – Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag 2001, S. 298)