Ein paar „typische“ Markus-Texte für ein JahrBuch wollte ich (im Jahr 2005) auswählen. Das wurde Ausgangspunkt einer Kreativitäts-Blockade – bis mir bewusst wurde: wie komme ich dazu, dem Evangelisten zu sagen, was in seinem Werk „wichtig“, „typisch für i h n“ ist?
Was Markus zu sagen hat, steht in seinem Text – und ich will i h n zu Wort kommen lassen.
Die zunächst quantitative WORTschatz-Erhebung stellte sich im Laufe der Jahre zu meiner großen Überraschung als WortSCHATZ-Hebung heraus. Sie macht den unlösbaren Zusammenhang von Inhalten und ihrer literarischen Gestaltung sichtbar.
Wer zur Quelle gehen kann, gehe nicht zum Wassertopf.
Leonardo da Vinci
Was bringt es, den Markus-WortSchatz zu er-heben?
- Durch die wort-genaue Arbeit war/ist zu entdecken und überprüfbar: Markus hat seinen Evangelium-Text ‚mathematisch imprägniert‘. Ihn präzise strukturiert – mehrdimensional: d u r c h k o m p o n i e r t
- in der innovativen literarischen Gestaltung des Textes durch Markus wird (u. a.) die innovative integrative Kraft Jesu spürbar, „lesbar“: vgl. Juden und Heiden; Frauen und Männer; Fromme + Sünder; Gesunde + Kranke; Zeit-Genossenschaft; óchlos – Volksmenge/ Pöbel; SchülerInnen, bes. die 12 Schüler und die 3 Frauen; …
- das Herausschreiben und Wertschätzen jedes einzelnen Wortes ist wie im Heiligen Land pilgern: Schritt für Schritt das „fünfte Evangelium“ (Bargil Pixner) ergehen. Ich erlebe den See Genezareth, das Bergland von Judäa, das Tote Meer, Jerusalem, … – tragender Boden unter den Füssen
- die mathematisch ‚grundierte‘ Wort-Kunst des Markus spiegelt seine inhaltliche Genauigkeit und Zuverlässigkeit: w i e er schreibt entspricht dem, w a s er schreibt – „Jesus live“. Inhalt und literarische Gestaltung entsprechen einander, sind wie zwei Seiten einer Münze
- ich kann mich auf das geschriebene Evangelium, seine Überlieferung und auf die Ergebnisse der Textwissenschaften verlassen. Sie sind überprüfbar – auch mit Durchzählen, …
- …
siehe auch
Über mich: ForschungsWege
Inhalte und literarische Gestaltung bedingen einander
Der Evangelist Markus verwendet gezielt eine Fülle an literarisch-rhetorischen Gestaltungselementen. Die unlösbare Verschränkung von Inhalten („was“) und ihren literarischen Ausdrucksformen („wie“) in seinem Text ist zunächst überraschend. Denn in der gängigen (deutschsprachigen) Auslegungspraxis dominieren die Inhalte. Das beständige WortSchatz-(Er)Heben machte mir diese Verschränkung bewusst und zugänglich.
Jonas GRETHLEIN, Altphilologe/Gräzist an der Universität Heidelberg, wies jüngst erneut auf die wechselseitige Bedingtheit von Inhalten und formaler Gestaltung in der antiken Literatur hin:
„Geht es um das Erbe der Antike, stehen meist die großen Themen im Vordergrund, die antike Autoren behandeln, etwa die Frage nach der Schuld in Ödipus oder die Dynamik der Macht bei Thukydides. Aber diese Inhalte entfalten sich in einer Form, die ihnen Gestalt und Kraft gibt – eben deshalb befriedigen uns moderne Nacherzählungen nur selten. Antike Literatur verdankt ihre Lebendigkeit einem hohen Formbewusstsein; wer ihren Reiz verstehen will, darf den Formalismus nicht scheuen.“ (Jonas Grethlein, Die Antike – das „nächste Fremde“?, S. 35)
siehe
JM 1.2.3.2 WEG in Gestalt einer Spirale
BRUNERS, Wilhelm: gottbuch (Am Rande des Tages. Gedichte. – Innsbruck – Wien: Tyrolia Verlag 2020, S. 65)
GRETHLEIN, Jonas: Die Antike – das „nächste Fremde“? (MERKUR 72. Jg., Jänner 2018, Bd. 824, S. 22 – 35)
GRETHLEIN, Jonas: Die Odyssee. Homer und die Kunst des Erzählens. – München: Verlag C. H. Beck 2017
Die besten Bücher sind die, von denen jeder meint,
er habe sie selbst schreiben können.
Blaise Pascal
1.0 EigenSinniger Autor
2.0 Spuren im Verborgenen
3.0 Wirkungen