Erbarmend, barmherzig sein – wie Gott

 

In  3  Gleichnissen  Jesu  steht an entscheidender Stelle das Wort   splagchnízomai  (pass.)  –  die Eingeweide aufwühlen/sich erbarmen  [18-044]:

  • der Herr des veruntreuenden Knechtes –  splagchnistheís – sich erbarmt  –  erlässt ihm die riesigen Schulden  ( Mt  18, 27 )  –  und jener ist dann unbarmherzig zu seinem Mitknecht

 

  • auf der Straße von Jerusalem nach Jericho hinab sieht ein Samariter den Zusammengeschlagenen liegen  kaì  esplagchnísthe  –  und  es wühlte ihm die Eingeweide auf/er erbarmte sich  … ( Lk  10, 33 )

 

  • der Vater des zurückkehrenden „verlorenen“  Sohnes sieht ihn schon von weitem   kaì  esplagchnísthe  –  und  es wühlte ihm die Eingeweide auf/er erbarmte sich  … ( Lk  15, 20 )

 

 

Ein Schlüsselwort für  Jesus:

 

  • Gottes Verhalten zu den Menschen ist  „erbarmend, barmherzig“,  und:

 

  • (je)der Mensch ist  „von Gottes Art“  (vgl. Gen  1, 27 )  und fähig, „erbarmend, barmherzig“  zu sein

 

Im Gleichnis vom ‚barmherzigen Samariter‘:  für einen frommen Juden war damals ein Samaritaner ein  „vom richtigen Glauben Abgefallener“, schlimmer als ein Heide oder ein Ungläubiger. Jesus  setzt seine Provokationen sehr präzise.

 

 

 

Markus konzentriert sich auf   2 x 2  Verwendungen

 

Die Menschen erleben Jesus so:  seine Herzlichkeit, sein Mitgefühl, sein Erbarmen  –  wie  „Energieströme“,  „Kraftfelder“, in denen sie aufleben.  Sie vertrauen ihm, dass Gott so  „erbarmend, barmherzig“  ist, wie er ihnen sagt (oder akzeptieren das nicht).

 

Markus  verwendet dieses Wort  „sparsam“, wie es seine Art ist.  Er konzentriert sich auf  2 x 2  Verwendungen:

 

  • 2 x      Vertrauen    und  Nicht-Vertrauen (können):  der Aussätzige  ( 1, 41 )  und  der ver-zweifelnde Vater  ( 9, 22 ),  und

 

  • 2 x      Jesus  „erbarmt sich“  des  óchlos – der Volksmenge/des Pöbels !  Und zwar  „paritätisch“:  der Juden  ( 6, 34 )   u n d   der Heiden  ( 8, 2 ) !

 

siehe

JL  3.2.2  Vertrauen  +  Verzweiflung

 

 

 

Ob sich der Himmel wohl niederkniet,

wenn der Mensch zu schwach ist, sich zu ihm zu erheben?

Christine Lavant

 

 

 

Verwundbarkeit und Empathie Jesu (Jeremy Rifkin)

 

In seinem spannenden Werk „Die empathische Zivilisation. Wege zu einem globalen Bewusstsein“ geht Jeremy Rifkin im Kapitel „Das kosmopolitische Rom und der Aufstieg des urbanen Christentums“  (S. 162 – 186) ausführlich auf die Bedeutung der Verwundbarkeit und Empathie Jesu ein.  Er meint:

… Sein qualvoller Weg weckt bei allen, die davon hören und ihr eigenes Kreuz zu tragen haben, eine empathische Reaktion. Das Leiden Jesu wird zu ihrem eigenen, wie das ihre zu seinem wird. Der Gang zur Kreuzigung steht für die Anerkennung der Verwundbarkeit und Endlichkeit des Lebens und für den ganz privaten Kampf eines jeden gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Intoleranz. Verwundbarkeit ist der große Gleichmacher. Jenseits aller status- und sonstigen Unterschiede, die uns voneinander trennen, sind wir doch alle sterblich. Das Wissen um die Verwundbarkeit und Sterblichkeit eines jeden bildet die entscheidende Grundlage für jegliche Empathie.  …“ (S. 171/172)

 

 

RIFKIN, Jeremy:  Verwundbarkeit und Empathie Jesu  (Die empathische Zivilisation. Wege zu einem globalen Bewusstsein.  –  Frankfurt/M. – New York:  Campus Verlag  2010,  S. 171/172)