Markus schreibt als Leser
Markus schreibt sein „Evangelium Jesus Christi“ nicht nur für Lesende, er schreibt a l s Leser. Wie jeder jüdische Bub hat er mit ca. 7 Jahren begonnen, lesen zu lernen. Gemeinsam mit anderen, angeleitet von einem Erwachsenen – und anhand der Heiligen Schriften.
Von klein auf gemeinsam die Heiligen Schriften zu lesen und miteinander ihre Bedeutung zu diskutieren, ist eine der Lebensgrundlagen jeder jüdischen Gemeinschaft. Das geschriebene Wort kommt aus den Erfahrungen des Alltags und den Gesprächen darüber. Deshalb verlangt es nach Gespräch, Auseinandersetzung und Weiterfragen. Bis es wieder zu geschriebener Sprache wird …
In so einer Kommunikations-Dynamik gibt Markus den gesprochenen Worten des Evangeliums Jesu Christi eine schriftliche, eine literarische Gestalt. Die Leser, die Leserinnen kommen zwar zunächst „von außen“ herzu, werden aber gleich „ins Gespräch gezogen“ – mit den Menschen im Evangelium, ihren Erfahrungen und miteinander. „Verstehen“ als ein offener Prozess, bei dem es immer wieder neue, oft überraschende und unerwartete – kainós – Zwischenergebnisse gibt.
Das geschriebene Evangelium kommt aus vielen Gesprächen, Konflikten und Diskussionen. Und es fördert/fordert diese bei den Lesenden heraus und auch ein – als Partner, Partnerinnen „in Augenhöhe“, wie es die EigenArt Jesu ist.
Vom ersten Wort an lässt Markus die Lesenden „live“ dabei sein. Er gibt uns durch die netzwerkartige Strukturierung seines Evangeliums ständig die Gelegenheit, uns ins Geschehen „einzuklinken“, z. B. mit dem „üppigen“ Gebrauch des Wortes kaí – und. Wir können uns mit „verknüpfen“. Das ist auch die aktive Grundbedeutung des wichtigen Wortes háptomai (med.) – anfassen, berühren [01-145].
Diese neue Schrift über Jesus – gleichgestellt den „alten“ heiligen Schriften
01-074 * a n a – g i n ó s k o – 4 x – lesen; wiedererkennen
3 x Vorwurf Jesu an seine Gegner: die Schrift-Lese-Experten! = 3 x aor.
- Schriftexperten 2, 25: oudépote anégnote / niemals laset ihr/habt ihr gelesen
- Hohenpriester 12, 10: oudè tèn graphèn taúten anégnote / und nicht/nicht einmal das Schriftwort dieses laset ihr
- Sadduzäer 12, 26: ouk anégnote en tê bíblo Moyséos / nicht laset ihr in dem Buch (des) Moysés/Mose
1 x Markus an die Lesenden:
- 13, 14: anaginóskon noeíto (part. präs. !) / der Lesende begreife/verstehe
die aktuell Lesenden sollen gescheiter, verständiger sein als die Schrift-Lese-Experten!
indirekt: diese n e u e Schrift – über Jesus – gleichgestellt den „alten“ heiligen Schriften! vgl. kainós – neu, unerhört, überraschend!!
Das geschriebene Evangelium ist Medium: Mittel zum Um-Denken und Vertrauen.
Markus schreibt keine „gruppen-spezifische Sonder-Sprache“. Er schafft eine integrative, alltags-offene Sprache. Eine Literatur, in der ganz verschiedene soziale, kulturelle, religiöse und persönliche „Dialekte“ sich (aufgehoben) finden und Platz haben.
Er gestaltet das geschriebene Evangelium als ZuMutung, um die Lesenden auf den Wegen und in den Wandlungen ihres Lebens zu fördern und zu fordern. Als Medium, das Begegnungen, Kommunikation „in Augenhöhe“ ermöglicht.
metanoeîte kaì pisteúete en tô euaggelío ( 1, 15 ) / um-denkt und vertraut/glaubt mittels des Evangeliums : So ruft Jesus a l l e n ( = auch den dies Lesenden ) zu, als er bei Markus das erste Mal „die Bühne der Welt“ (Josef Brandner) betritt.
Die Präposition „en“ hat neben der räumlichen und zeitlichen Bedeutung auch eine instrumentelle: „mittels, vermittelst von, durch“. vgl. 14, 1: die Hohenpriester beraten, wie sie Jesus en dólo – mittels List festnehmen könnten, um ihn zu töten.
Mit dieser instrumentellen Bedeutung stellt Markus klar: das geschriebene Evangelium ist ein Medium, ein Mittel, das zum Um-Denken und Vertrauen hilft, nicht ein Ziel, an das „zu glauben“ wäre. Ziel ist für Markus die Begegnung mit dem auferweckten Jesus auf den WEGen unseres Lebens.
siehe
JL 3.2.1 Jesus, ho didáskalos – der Lehrer
JL 5.3.4 Heilendes Erzählen/Lesen – auf-er-stehen „en tô euaggelío – mittels des Evangeliums“ ( 1, 15 )
Wie kannst du eigentlich im Evangelium lesen und doch Angst haben?
Mir ist das ganz unverständlich.
Lies deinen Nerven aus dem Evangelium vor,
da müssen sie doch ruhig werden
und dein ganzen Wesen muss fröhlich werden.
Franz Marc
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