Vom   „Entweder  –  oder“   zum   „Sowohl  –  als  auch“

 

 

Es ist ein   I n t e g r a t i o n s-Bild,  das  Jesus  pro-voziert/hervor-ruft  –  aus einem  „Sünder“  (Krankheit als sichtbare Strafe Gottes war eine  „unumstößlich“  gültige religiös-soziale Lehre).

 

  • jüdisches Glaubens- und Bildungsgut:  z.B.  Ps 1:  der auf Gottes Wort hörende Mensch ist  „wie  ein Baum  gepflanzt  am  Wasser “;  die umherwandernden  Abraham und Sarah  als Urbilder des  „pilgernden Gottesvolkes“  ( Gen  12 ff. );    und

 

  • hellenistisches Bildungsgut:  die    „Peripatetiker“  =  die  einflussreiche  Schule des griechischen Philosophen  Aristoteles  (384-322 vChr):  im  Umhergehen   denken   &   diskutieren. Bewusstsein, Vernunft   braucht   „wandeln“  (=  gehen  +  sich  wandeln)

 

 

 

16-061  peri-pátein – (rings)umher-wandeln,  umher-spazieren,  leben;  sein Leben leben;  seinen Weg gehen

 

Mit / In  diesem  Wort für  „gehen“  gerade in  diesem  Zusammenhang  –  eine  „Definition“  des Menschen,  Grundlagen des  „Menschenbildes“  –   v e r b i n d e t   Markus  diese  beiden  Traditionen, die in  BeWEGlichkeit  +  WANDLUNGsfähigkeit des Menschen gründen.

Markus  sieht diese als Wesens -Teil bei   a l l e n   Menschen, nicht nur bei der reichen, männlichen Spitze der Gesellschafts-Pyramide.

siehe

JM  1.3.1  Das Volk, die ‚Leute‘

 

 

 

Heilung des „Dritten Auges“

 

Man könnte diese  Kraft(tat)  Jesu  auch  „Heilung des  Dritten Auges“  nennen.  Jenes  „Auges“,  mit dem  wir Menschen „hinter“  die Oberfläche unseres Lebens und der Dinge blicken können  –  bis  „auf den Grund“. Und  aus der  „Tiefe“  heraus.

Eines  „Mediums“  an den  „Nahtstellen“ / „Übergängen“  von  „Sichtbarem“  und  „Unsichtbarem“. Es ermöglicht den Menschen,  den   GottesGeschmack,  das   GottesFeuer   in allen  und  allem  zu (er)spüren …

 

 

 

Die Wunder stehen nicht im Widerspruch zur Natur,

sondern im Widerspruch zu unserem Wissen von der Natur.

Augustinus

 

 

 

 

Wachsen „wie ein Baum“

 

Das uralte Symbol des  Baumes  erinnert  die  Leserinnen und Leser  daran, dass es  unterschiedliche,  aber zusammengehörende Weisen gibt  zu wachsen.

  • wachsen  i m   Licht  und   i n s   Licht  –  in  die Höhe  +  Breite:  Blätter, Rinde, Blüten, Früchte, Stamm
  • wachsen  i m   Dunklen  und   i n s   Dunkle  –  in die Tiefe: die Wurzeln ausstrecken wie  „Fühler“. Die feinsten Wurzelenden gehen über in Erde bzw.  Erde wird zu Wurzeln.

 

Im Blick auf die  „schmerzscheuen“ (M. Gutl)  Männer um Jesus erzählt diese  Kraft(tat)  Jesu  von unterschiedlichen Weisen des Wachsens und des Bewusstseins:

  • Schwäche, Ohnmacht, Leiden, …führen in die Bereiche des  Dunklen,  „Erdigen“
  • das  „helle“  Bewusstsein wird in seiner  „alleinseligmachenden“  Bedeutung relativiert,  und  es besteht die Chance, eine Art  „dunkles“  Bewusstsein  zu entwickeln und zu kultivieren.

Ein-Sicht  in den  „Tag“  +  Ein-Sicht  in die  „Nacht“  und ihre wechselseitige Beziehung, ihr Angewiesensein aufeinander.

Jesus  ist besonders bei  (Deutero-)Jesaja,  dem  „leidenden Gottesknecht“    ( Jes  40 – 55 )  in die  „Lehre“  gegangen. Seine  Freunde und JüngerInnen gehör(t)en wohl zu seinen  härtesten Trainingspartnern …

 

 

Wachsen heißt,

sich der Weite des Himmels öffnen

und zugleich im Dunkel der Erde wurzeln.

Martin Heidegger

 

 

 

BUBER, Martin:  Geh aus deinem Land   (Die Erzählungen der Chassidim.  –  Zürich:  Manesse Verlag  1949,  S. 385)

BUBER, Martin:  Das eigentliche Exil   (Die Erzählungen der Chassidim,  S. 838)

COHN, Ruth C.:  Und wenn ich zu Dir bete   (zu wissen dass wir zählen. Gedichte, Poems  mit Scherenschnitten von Annemarie Maag-Büttner.  –  Bern:  Zytglogge Verlag  1990,  S. 51)

DIETRICH, Wolfgang:  Unterbrich das Denken durch Gehen    (KOMM in das Haus meiner Wünsche. Passagen, Wegweisungen und Glückwünsche, hrsg. von Jürgen Schwarz. Zeichnungen: von Tobias.  –  Eschbach/Markgräflerland:  Verlag am Eschbach  1993,  S. 74/75)

DOMIN, Hilde:  Ziehende Landschaft   (Gesammelte Gedichte,  S. 13)

KALLEN, WERNER:  Baumgebet    (Komm in das Haus meiner Wünsche,  S. 18/19)

MAAG-BÜTTNER, Annemarie:  Walking tree.  Scherenschnitt   (COHN, Ruth C.:  zu wissen dass wir zählen, S. 49)

SPILLING-NÖKER, Christa:  Ich wünsche dir, / dass du wirst wie ein Baum   (Ich schenke dir ein gutes Wort. Ermutigungen und Segensworte.  –  Kevelaer:  Verlagsgemeinschaft topos plus  2009,  S. 32;   = topos-TB, Bd. 674)

 

 

So wenig wie möglich sitzen;

keinem Gedanken Glauben schenken,

der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung,

in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern.

Alle Vorurteile kommen aus den Eingeweiden.

Das Sitzfleisch ist die Hauptsünde gegen den heiligen Geist.

Friedrich  Nietzsche